Worauf möchte ich nicht verzichten? Erzählkultur auf dem Tempelhofer Feld

Ein Kugellagergespräch ist eine Methode, um die Erzählkultur unter Menschen zu stärken. Sie befördert das gestaltete Sprechen und regt das achtsame Zuhören an. Dabei werden Wahrnehmungen geschult und gegenseitiges Verstehen ermöglicht. Die Methode regt überdies zu eigenen Fragen an und fördert so die Selbstvergewisserung. Wirksame Handlungen können folgen. Nun gab es das erste Gespräch auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.

Die Durchführung ist ganz einfach: Ablauf und Thema wird vom Moderator erklärt, eine Gruppe bildet den Innenkreis, die zweite den Außenkreis. Beide Kreise sitzen sich gegenüber und sind einander zugewandt. Die Teilnehmer bekommen eine Fragestellung, die sie mit dem Gegenüber austauschen. Zuerst berichtet die Person im Innenkreis und der Außenkreis hört zu. Nach einem Signal erzählt der Außenkreis und das Gegenüber hört zu. Danach geht der Innenkreis wahlweise einige Plätze weiter nach links und der Außenkreis wahlweise einige Plätze nach rechts und eine neue Fragestellung wird eingeführt.

 

Worauf möchte ich nicht verzichten?

 

Worauf möchte ich nicht verzichten? Das war das Oberthema des ersten Kugellagergesprächs auf dem Tempelhofer Feld am vergangenen Sonntag. 12 Menschen kamen zusammen, von denen die Mehrzahl sich teils noch nie begegnet waren. Das sollte sich im Laufe der verschiedenen Fragerunden schnell ändern. 

Jeder Frageblock wurde kurz thematisch eingeführt. Leben ist Wandel, war zu Beginn eine These. Jeder Mensch mache Wandlungsprozesse durch: im Laufe der Adoleszenz von der Beheimatung zur Fremdheit, in der Partnerschaft vom Zusammenkommen zur Trennung oder von der Zweisamkeit zur Familie. Diese Wandlungen können wir gestalten; es falle uns Menschen jedoch leichter, den Wandel zu gestalten, wenn er nicht ungebeten kommt, sondern wir ihn frei wählen. Die Dinge aus Einsicht zu verändern sei leichter als zu Veränderungen gezwungen zu werden. So weit, so einfach. Entsprechend formuliert waren die Fragen für die biografischen Erzählungen: "Während welcher Ereignisse in meiner Biografie, habe ich 'Wandel' erlebt?", "Zu welchen Wandlungen wurde ich genötigt", "zu welchen habe ich mich aus freien Stücken entschieden?". Für jede Frage wurden je fünf Minuten Erzähl- und Zuhörzeit aufgewandt, ehe sich die Paarkonstellationen für eine weitere Frage veränderten.

 

Was möchte ich an Gewohnheiten hinter mir lassen?

 

Schnell wurde klar: Nicht alles, was derzeit an Wandel um uns herum geschieht, fördert unsere schöpferischen Kräfte. Es gibt Prozesse, die integrierend wirken, genauso wie Prozesse, die desintegrierend wirken. Die momentanen Wandlungsprozesse werfen uns auf uns selbst und unser Gewissen zurück, war also eine weitere These, so bei vielen Zielkonflikten während der zweijährigen Gesundheitskrise. In Zeiten, in denen Institutionen wie Parteien, Kirchen oder Medien an Vertrauen verlieren, erhalten selbst bestimmte Entscheidungen eine noch größere Bedeutung, war eine andere Beobachtung zur Zeit. "In welchen Momenten in meinem Leben erlebe ich 'Selbstwirksamkeit', stimmen Lebensziel und Ergebnis meines Handelns überein?", war entsprechend ein Thema, und mit Blick auf die Zukunft wurde gefragt: "Was möchte ich an Gewohnheiten hinter mir lassen?" und "Worauf möchte ich nicht verzichten?"

 

Was bin ich mir wert? 

 

Am Sonntag, den 26. Juni 2022, geht es um 16.00 Uhr mit einem anderen Oberthema weiter: Was bin ich mir wert? Der genaue Ort auf dem Tempelhofer Feld inmitten Berlins ist auf der Karte angegeben. (bitte klicken).

 

Informationen zur Reihe der Kugellagergespräche und eine Anmeldemöglichkeit gibt es hier.

 

Fotos: Birgit Rubach, Peter Amsler