Die Toolbox. Erzählen in acht Farben

Ein Baustein zur Professionalisierung des künstlerischen Erzählens

In der Toolbox finden Erzählerinnen und Erzähler Material, das sie inspiriert, ihre Erzählkompetenzen zu erweitern - entweder weil sie enthusiastisch das mündliche Erzählen lernen und wissen wollen, wie weit die eigenen Fortschritte schon sind; oder sie visionäre Erzählkünstlerinnen sind, die einen Rahmenplan suchen, um eine eigene Erzählausbildung anzubieten; oder bereits im Erzählen etabliert und zugleich neugierig genug geblieben sind, neue Impulse aufzunehmen; oder ... die Toolbox der europäischen Federation of European Storytelling (FEST) weckt Spielfreude und ist überall anwendbar, wo Erzählerinnen und Erzähler ihre künstlerische und organisatorische Arbeit reflektieren, in einer Gruppe ins Gespräch kommen und ihre Projekte planen. Die deutschsprachige Ausgabe der Toolbox wird vom Verband der Erzählerinnen und Erzähler (VEE) herausgegeben und wurde von der Berliner Erzählerin Janine Schweiger erarbeitet.

Text: Janine Schweiger

Als die Federation of European Storytelling die Toolbox im Jahr 2019 in Kerkrade auf ihrem jährlichem Treffen vorstellte, war dem VEE sofort klar: Das ist eine fantastische Idee und eine unschlagbare Umsetzung durch die belgischen Erzählerin Veva Gerard. Natürlich könnte man auch mit dem Original in englischer Sprache arbeiten, aber wenn es in die Tiefe und ins Detail geht, ist die Muttersprache einfach die bessere Wahl. Also wurde beim FEST die Erlaubnis eingeholt, die Toolbox auch auf Deutsch anbieten zu dürfen: Und nun ist es soweit!

 

Auf dem VEE-Jahrestreffen im Jahr 2022 in Wandlitz (Brandenburg) konnten sich bereits die ersten VEE-Mitglieder in Seminaren davon überzeugen: So schnell, so unmittelbar und freundlich war der Austausch, die Diskussion und die Inspiration von Erzählerinnen und Erzählern noch nie! Und das auf der Grundlage von eher bürokratischen und spröden Formulierungen des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) für berufliche Anerkennung.

Kompetenzmodell

Die Europäische Union versucht bereits seit einigen Jahren, jeder Profession notwendige Kompetenzen zuzuordnen. Ziel ist: Jeder und jedem soll jederzeit innerhalb der EU ein angemessener Arbeitsplatz sowie entsprechende Entlohnung gewährleistet werden. Das gilt auch für alle Varianten der Kunst: Darstellende, bildende oder musikalische Künste müssen sich fragen lassen, welche Kompetenzen erworben werden müssen, um in der jeweiligen Sparte anerkannt zu werden. 

 

Aber was sind eigentlich "Kompetenzen"? Und warum wird nicht nach akademischer Ausbildung, Berufspraxis oder künstlerischer Auszeichnung gefragt? Ganz einfach: Weil die Europäische Union nach etlichen Jahren der Vereinheitlichung der Bachelor- und Masterexamen feststellen musste, dass es nichts darüber aussagt, ob die Studierenden lange oder kurz studiert, mit guten oder exzellenten Noten abgeschlossen haben, sofern sie nicht in der Lage sind, anschließend das erworbene Wissen in der Praxis anzuwenden.

 

Kompetenzen gelten in acht  Abstufungen, quasi von der Grundschule bis zum Masterexamen. Es reicht von "Davon habe ich schon mal gehört" bis "Das mache ich jederzeit souverän und richtig". Ein Beispiel aus der Lebenspraxis: Jeder hat schon mal davon gehört, dass man Brotbacken lernen kann. In einer Bäckerausbildung erfährt man alles Notwendige darüber und geht auch selbst, meist unter Aufsicht, das Brotbacken an. Nach der Gesellenprüfung kann man anfangen, in diesem Beruf zu arbeiten, sich weiterzubilden, den Meisterbrief zu erwerben und eine eigene Bäckerei zu gründen. Eine weitere Möglichkeit, das Brotbacken zu lernen, ist es hingegen, zu Hause, also privat und unter Zuhilfenahme eines Backbuches es einfach auszuprobieren oder einen VHS-Kurs zu belegen. Oder man kauft sich eine Backmischung und hält sich an die Anleitung... Wie dem auch sei: Sowohl Profis als auch Amateure haben auf verschiedenen Wegen und auf unterschiedlichen Niveaustufen Kompetenzen für das Brotbacken erworben. Dabei ist nicht nur entscheidend, ob das Brot schmeckt, sondern auch, wie es gebacken wurde, welche Zutaten verwendet wurden, ob es geeignet ist, verkauft oder verdaut zu werden, die Qualität gleichbleibend ist usw.

 

Und so ist es auch in der Kunst des freien Erzählens: Manche Erzählerinnen und Erzähler absolvieren akademische Ausbildungswege, andere lernen von Vorbildern, die Nächsten sammeln ihre Erkenntnisse in verschiedensten Seminaren. Ebenso ist es sehr unterschiedlich, welche Erfahrungen im Erzählen vor dem jeweiligem Publikum gemacht und verarbeitet werden. Wie kann ich aber mit anderen Kolleginnen und Kollegen über meine Erfahrungen ins Gespräch kommen? Wie plane ich ein Seminar für freies Erzählen, wenn ich nicht abschätzen kann, welche Kompetenzen ich selbst und meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitbringen? 

 

Der europäische Erzählverband Federation of European Storytelling hat im Jahr 2018 eine Fördersumme erhalten, um auf verschiedenen Ebenen dem mündlichem Erzählen zu mehr Aufmerksamkeit und Nachhaltigkeit zu verhelfen. Dazu gehörten auch die Forschungsfragen: Was wird benötigt, um einen europäischen Masterabschluss im Freien Erzählen einzurichten? Welche Kompetenzen gehören zu einer Ausbildung, zur Fortbildung und zur Berufspraxis einer Erzählerin oder eines Erzählers? Welche Niveaustufen gibt es dabei? 

 

Die belgische Erzählerin und langjährige Dozentin an der Akademie in Lier, Veva Gerard, wurde gebeten, sich Gedanken zu machen, wie aus dem Kompetenzmodell eine Art Werkzeugkasten, eine Toolbox, werden könnte. Mit ihrer Hilfe sollten sich alle Facetten und Notwendigkeiten beim Erwerb von Erzählkompetenzen abbilden und reflektieren lassen. Und im Jahr 2019, auf dem Jahrestreffen von FEST in Kerkrade, konnte sie den Prototyp der Toolbox vorstellen. Voilá! Die Toolbox war geboren.


Ein Kompetenzmodell ...

 

... ist eine Sammlung von Kompetenzen, welche gemeinsam eine erfolgreiche Leistung in einem bestimmten Bereich oder Berufsfeld beschreiben. 

... kann ebenso die Basis oder die Inspiration bilden für eine Ausbildung, aber es ist kein Bildungsstandard mit festgelegten Lernergebnissen oder ein Lehrplan mit Lehrinhalten.

... ist ein Bezugsrahmen.

... bietet eine gemeinsame Sprache an für ein Berufsfeld.

... kann einer Sparte helfen zu wachsen, sich zu entwickeln und sich zu professionalisieren.


Was steckt in der Toolbox?

In der Toolbox finden sich acht Landkarten, die bildhaft verdeutlichen, welche einzelnen Aspekte zu welchem Kompetenzfeld dazugehören. Die Kompetenzfelder sind: Forschung, Handwerk, Kunst, Vorstellung, Ausbildung, angewandtes Erzählen, Tradition und Unternehmen. Jede der acht Landkarten nähert sich dem freien Erzählen mit einem speziellem Blickwinkel, aber nicht alle Bereiche müssen von allen Erzählenden gleichermaßen ausgeschöpft werden. Und es gibt ein Set von vierzig Spielkarten. Mit ihrer Hilfe und dank der drei Anleitungsbroschüren ist jeder eingeladen, sich seinen eigenen Weg durch die Landschaft des freien Erzählens zu bahnen, also sich Kompetenzen anzueignen, zu erforschen oder zu vertiefen. Denn jeder, der Erzählen lernen möchte, geht auf seinem eigenem Pfad, beginnend, wo es Spaß macht oder wo es vertraut erscheint.

Die Anwendung der Toolbox ist nicht begrenzt auf das mündliche Erzählen. Sie lässt sich auf alle darstellenden Künste übertragen und auch auf Situationen in Beruf und Freizeit, in denen ein Projekt geplant, durchgeführt, die eigene Rolle reflektiert oder mit einer Gruppe ausgewertet wird. Denn so wie das mündliche Erzählen sich nicht auf Märchen und Mythen beschränkt, lässt sich die Toolbox auch nicht ausschließlich auf das mündliche Erzählen anwenden. Sie schließt Präsentationen aller Art, Berufs- und Lebensplanung, künstlerische Entfaltung und pädagogische Planung mit ein.

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Die Toolbox Erzählen in acht Farben bieten wir in zwei Preiskategorien an. Versand und Rechnungslegung erfolgt über den Erzählverlag bzw. das Ausbildungszentrum Bercker (AZB) in Kevelaer. Der Erzählverlag handelt dabei im Auftrag des Verbands der Erzählerinnen und Erzähler (VEE). 

Toolbox Erzählen in acht Farben

45,00 €

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Toolbox Erzählen in acht Farben - ermäßigter Preis für Mitglieder des VEE

37,95 €

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