Erzählen im Garten

"Leipzig liest extra", die Sonderausgabe der Leipziger Buchmesse 2021, ist am Sonntag zu Ende gegangen. Vom 27. bis zum 30. Mai fanden an rund 80 Orten in Leipzig mehr als 400 Veranstaltungen statt, rund 100 mit Publikum. In Kooperation mit dem Verein Erzähler ohne Grenzen und dem Budde-Haus lud der Erzählverlag zu einem Erzählabend plus Buchvorstellung ein. Im Mittelpunkt stand die Anthologie "Im Auge des Sturms. Schlüsselgeschichten von Erzähler ohne Grenzen", die erstmals in Leipzig vorgestellt wurde.

Foto rechts (v.l.n.r.): Britta C. Wilmsmeier, Dirk Nowakowski, Micaela Sauber, Dr. Margarete Wenzel

Da die Leipziger Buchmesse 2021 bedingt durch die Corona-Maßnahmen abgesagt werden musste, wurde in diesem Jahr die Sonderausgabe "Leipzig liest extra" veranstaltet: Ein vielfältiges Programm mit rund 400 Veranstaltungen im Leipziger Stadtgebiet, Preisverleihungen und digitalen Begegnungen sollte Kulturschaffende und ihr Publikum trotz Pandemie zusammenbringen. Der Berliner Erzählverlag lud zu einem "Erzählabend im Kulturgarten" ein. Die behördlichen Auflagen machten es möglich, dass das ehemalige Klubhaus Heinrich Budde, heute kurz Budde-Haus genannt und eines von zehn sozio-kulturellen Zentren der Stadt Leipzig, für 50 Gäste seinen Kunstgarten öffnen durfte. Die Abendkälte und der erhöhte Aufwand für das Publikum mochten dazu geführt haben, dass einige Plätze frei blieben.

 

"Wir gehen an Grenzen"

 

Dass die widrigen Umstände den Protagonisten nicht die Laune verdorben hatten, wurde im Kulturgarten wie auch schon bei den übrigen Präsenzveranstaltungen von Leipzig liest extra schnell deutlich. Mit Enthusiasmus erzählten die beiden Herausgeberinnen des Buches, Dr. Margarete Wenzel (Wien) und Micaela Sauber (Hamburg), der Illustrator Dirk Nowakowski (Edingen bei Heidelberg) und die Vorsitzende des Vereins Erzähler ohne Grenzen, Britta C. Wilmsmeier (Berlin), frei und mündlich zur Freude der Anwesenden ihre Geschichten teils ernst, teils heiter, doch stets dem Anliegen des Vereins folgend. Denn das internationale Netzwerk Tellers without Borders und der deutsche Verein Erzähler ohne Grenzen wurden ins Leben gerufen, um sich den humanistischen und friedensfördernden Motiven der Erzählkunst zu widmen.

Die Arbeit des Vereins, die Herausgabe der Anthologie "Im Auge des Sturms" und das freie mündliche Erzählen im Allgemeinen waren denn auch Themen eines kurzen Podiumsgesprächs. "Wir gehen an Grenzen", erläuterte Margarete Wenzel, "vor allem an die gesellschaftlichen". Britta C. Wilmsmeier benannte Menschen und Orte: Menschen in Kriegs- und Krisengebieten, mit Fluchterfahrung und mit Demenzerkrankungen, Bildungsferne und Ausgegrenzte. Und Micaela Sauber verdeutlichte anhand ihres Märchenhuhnes, wie sie mit Kindern erzählerisch arbeitet. Sie nehme bei immer mehr Kindern ein Hunger an Fantasie wahr, erläuterte sie. Dazu passte, dass Dirk Nowakowski anhand eines auch in der Anthologie veröffentlichten Textes erläuterte, wie er sich längere Erzählhandlungen vergegenwärtigt: Es seien die einzelnen Bilder einer Handlung, die er sich merke, nicht den Text als solches.

 

 

 

Margarete Wenzel, Micaela Sauber (Hrsg.)

Im Auge des Sturms.

Schlüsselgeschichten von "Erzähler ohne Grenzen"

294 Seiten, 13,3 x 21,5 cm, Klappenbroschur

Der Erzählverlag 2019/2021

ISBN 978-3-947831-29-6

 

Artikel-Nr. 79-3129

12,90 € 

Derzeit arbeiten die Herausgeberinnen in Zusammenarbeit mit dem Verlag an einer zweiten Auflage der Anthologie "Im Auge des Sturms". Sie erscheint Ende Juni und ist um einige Geschichten erweitert, die das Erzählen in Zeiten der Pandemie reflektieren. Die Jenaerin Erzählerin Antje Horn fasst darin eine auch bei anderen Erzählerinnen und Erzählern vielfach gemachte Erfahrung mit dem digitalen Erzählen in eigene Worte, wenn sie schreibt, das der Zauber beim Erzählen vor der Kamera ausbleibe.

Wie einfach und doch effektiv es hingegen ist, durch das freie Erzählen Begegnung und eine für die Jahreszeit zumindest innere Wärme zu schaffen, zeigten an diesem Abend Margarete Wenzel, Micaela Sauber, Dirk Nowakowski und Britta C. Wilmsmeier. Ihre Erzählkunst solle, so wünschte der Verleger Peter Amsler dem Publikum zum Abschluss der Veranstaltung, in eine eigene Erzählkultur hineinstrahlen. Die nächste Leipziger Buchmesse ist vom 17. bis 20. März 2022 geplant.